Betreff: Aus dem Tagebuch
Montag
Als Nachbarhund Carlos mich sieht, legt er sich abwartend hin, so dass sein Frauchen ihn an der Leine hinter sich herzieht, als wäre er ein Schlitten im Winter. Warum legen sich manche Hunde hin, wenn sie andere Hunde sehen? Würde ich nie tun. Ich ziehe lieber Leine, auch ohne an einer solchen zu sein.
Dienstag
Bei uns ist es wie in der heutigen Gastronomie: Der Küchenschluss immer zeitiger, wenn es überhaupt noch eine Küche gibt.
Mittwoch
Beim Hunde-Training ist ein Gast dabei. Ich werde ihm – der Gast ist übrigens eine sie, der ich sichtlich gefalle, wohl weil ich größer bin als ihr Jack Russel – vorgestellt als der Hund in der Gruppe mit der größten Menschenkenntnis. Herrchen gleich wieder stolzgereckt. Dabei ist er doch der Gegenbeweis. Hätte ich tatsächlich Menschenkenntnis, ich hätte mir den Einzug bei Herrchen viel gründlicher überlegen müssen.
Donnerstag
Zu meiner Hausärztin, Jahresuntersuchung. Um mich abzulenken, wird mir von der Arzthelferin eine halbschälig-quietschende Plastikbanane vorgehalten. Deren absurde Hässlichkeit empört mich derart, dass ich tatsächlich nicht mitbekomme, wie mir die Ärztin zwei Spritzen in den Hintern jagt. Als ich mir die Banane schließlich schnappen will, um sie zu entsorgen, darf ich das natürlich nicht. Als Ausgleich gibt es Leckerlis, ein Kompromiss, geht in Ordnung.
Freitag
Wir begegnen Fritze und seinem stets so schick angezogenen Herrchen. Das Herrchen spricht mich mit Elton an. Beruht das nun auf einer kleinen Fehlzündung im Gehirn, wie sie im Leben vorkommt? Oder muss ich bei Fritzes Herrchen auf Verirrungen im Musikgeschmack schließen?
Samstag
Bei der Machtübernahme von Alexander dem Großen zeigte das Heer seine Loyalität, indem es durch einen zerteilten Hundekadaver marschierte. Ich zeige meine Loyalität Herrchen gegenüber, indem ich durch seine gespreizten Beine laufe oder dort in Wartestellung verharre. Das eine wie das andere ist doch völliger Blödsinn, oder?
Sonntag
Drei Jahre lang sind wir nun schon beim sonntäglichen Hundetraining dabei. In diesen drei Jahren brachte Clios Frauchen immer selbstgebackenen Kuchen für die Pausenversorgung mit. Heute kommt sie erstmals ohne Kuchen. Herrchen ist davon so betroffen, dass ich die differenzierte Suche vorsichtshalber perfekt absolviere, nur um die Situation nicht eskalieren zu lassen. Um das Drama in seiner vollen Wucht verstehen zu können, muss ich anmerken, dass für Herrchen die Kuchen von Clios Frauchen unersetzliche Gipfelleistungen der Patisserie sind.
Bin jetzt auch auf Instagram: elvis.blog.
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