Betreff: Jagen
Was gleicht wohl auf Erden dem Jägervergnügen. Ist aus dem „Freischütz“, der Weber-Oper, der herrliche Chor. Wer von den Sängern, die damit irgendwo auftreten, mag Jäger sein? Wissen die, wovon sie singen? Ich jedenfalls weiß es und kann es bestätigen. Jagen – das ist so wunderbar vorwärtsweisend, kreativ, dynamisch, leidenschaftlich. Das hat ein Ziel, welches alle Energie lohnt.
Die Hormone tanzen und dank ihnen und meinen Muskelpaketen auch meine Läufe. Kein Widerstand zählt. Neulich bin ich durch eine Dreckecke im Morgentau gejagt. Ich sah hinterher untenrum aus wie ein Schwein! Und pitschnass war ich auch, egal.
Das schönste am Jagen ist allerdings gar nicht die Bewegung und schon gar nicht die Beute, die ich sowieso nie erwische. Das schönste ist, Herrchen abzuhauen, da kann er bis zur Heiserkeit brüllen. Ich entfliehe eigentlich auch gar nicht Herrchen an sich, sondern seiner Einstellung zum Leben. Bei ihm ist nämlich alles, was er tut, immer gegen etwas gerichtet, also nicht nur gegen mein Jagen, sondern auch gegen eine Ortsumgehung, Reisen, Veränderungen in Haus und Hof, Besuche, neue Ideen und Pläne und so weiter. Alles bei ihm ist Verteidigung seiner Gewohnheiten. Er war ja ganz zum Anfang auch gegen mich, jetzt bin ich selbst eine seiner Gewohnheiten. Er war gegen die Hundegruppe, jetzt fährt er mit mir gewohnheitsmäßig hin, regelmäßig und gern.
Ich finde Herrchens Haltung ähnlich furchtbar wie den Atheismus, der sich auch nur spreizen kann, weil er immerzu gegen Gott ist. Der Gott braucht, um gegen ihn sein zu können. Blödsinn, oder? Für etwas sein – darin liegt der Sinn des Lebens, auch der Sinn Gottes und uns Hunden. Ich bin für die Jagd wie auch für den prall gefüllten Napf und die optimal gestaltete Bequemlichkeit zu Hause. Ich bin dafür, mich meines Lebens zu erfreuen. Unter diesen Voraussetzungen bleibt das Jagen allerdings ein ewiger Kulturkampf zwischen Herrchen und mir, Kampf der Systeme, Clash of culture, Kalter Krieg, manchmal heißer.
Eben sagt Herrchen, ich solle den Quatsch mal nicht übertreiben. Er habe da noch ein Würstchen, und was sei der Clash of culture gegen ein Würstchen. Da hat er recht. Und prompt sitze ich in der Falle von Herrchens Gewohnheiten. Denn jeden Abend gibt es den sogenannten Absacker, es gab ihn gestern, gibt ihn heute und verläßlich auch morgen. Nur an den Jagdtagen würde er mir den Absacker am liebsten streichen. Ausgerechnet dann, wenn ich gut zwei gebrauchen könnte, sozusagen doppelte Ration. Denn beim Jagen wird nun einmal deutlich mehr Energie verbraucht, als beim Trotten in Herrchens Trott.
Das Foto hat Andreas Rottluff gemacht.
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