Betreff: Loser
Neulich guckten Frauchen und Herrchen abends auf dem Sofa mal wieder einen sogenannten Hundefilm. Es war wie immer, Herrchen langweilte sich schon beim Vorspann, und auch Frauchen fragte sich am Schluss, weshalb sie sich das angesehen habe. Immer das gleiche Strickmuster: Der Hund taucht als Loser auf, als ein rumänischer Straßenhund, als ausgesetzter oder streunender Hund, als ein aus dem heißen Auto geretteter Hund, als verirrter Hund oder dergleichen mehr. Einen Hund vom Züchter, teuer gekauft wegen des Stammbaums, will vermutlich keiner im Film sehen, kommt also nicht vor. Obwohl Serien über Adlige doch sonst ganz gut gehen, wie ich höre.
Im Hundefilm jedenfalls bringt der Loser alles durcheinander, meistens irgendwelche Familien, in denen es sowieso nicht rundläuft. Am Ende machen die Umstände den Hund natürlich zu einem Helden, weil er jemanden rettet, ein Paar zusammenbringt, irgendwas Wichtiges erschnüffelt oder einfach nur wieder auftaucht, nachdem er längere Zeit weg gewesen. Das nennt sich dann eine „Geschichte voller erstaunlicher Abenteuer, wahrer Freundschaft und bedingungsloser Liebe“. Und endet in der totalen Rührseligkeit, schnuff, schnuff, schnüff, schnüff, mir kommen die Tränen. Und wen der Quatsch immer noch nicht weich hat werden lassen, für den gibt es Extraweichzeichner bei der Bildbearbeitung.
Mein unemotionales Herrchen jedoch erweichen selbst Weichzeichner nicht. Er regt sich vielmehr über die Filmhunde auf, die von der ersten Szene an aufs Wort hören, treu sind, leinenführig und auch ohne Leine bei der Sache bleiben – alles Verhaltensweisen, an denen ich mit Herrchen fast zwei Jahre lang hart arbeiten musste. In der Hollywoodschnulze, die Frauchen und Herrchen sahen, – der Schmarrn hieß, glaube ich, „Darling Companion“ –, bleibt zum Beispiel der Fundhund einfach still sitzen, als seine ihm völlig unbekannten „Retter“ erscheinen. Er lässt sich auch gleich ins Auto führen, nimmt eine Fahrt im fremden Auto wie etwas Selbstverständliches hin, bellt nicht, beißt nicht, und sitzt beim Tierarzt geduldig da. Er öffnet sogar artig sein Maul, als er darum gebeten wird. All das stelle man sich nur mal mit mir vor. Dem Film übrigens hätte es nicht geschadet, denn dann wären echte Handlung und dem Leben abgeschaute Dramatik zu sehen gewesen, unterfüttert von situationsangemessenem Bellen und Beißen. Ein echter Hundefilm eben, aber so etwas gibt es ja gar nicht.
Hundefilme sollen nur unterhalten und haben mit Hunden nicht allzu viel zu tun. Was freilich meinen renommierten Futterausstatter nicht abhält, auf seiner Internetseite Hundefilme im Dutzend vorzustellen und einen Fernsehabend zu empfehlen, bei dem der Hund mitschaut – auf dem Sofa! Alle kriegen ihre Snacks, auch der Hund, und auf den Umstand kommt es werbemäßig natürlich meinem Futterausstatter an, mit all den bunten Tütchen voller Knuspies, Loopies, Denties, von denen auch ich gern nehme, freilich ganz ohne Sofa und TV.
Auf unserem Sofa habe ich nur einmal gesessen, zum Anfang meiner Laufbahn bei Herrchen. Ich glaube, ich erzählte schon mal davon. Ich war auf das Sofa gesprungen, Herrchen suchte mich überall vergeblich, weil meine Fellfarbe und die Farbe des Sofas so phantastisch harmonieren, dass ich mich gleichsam unsichtbar gemacht hatte. Aber dann sah Herrchen es doch, es folgte der Anschiss, das Sofa blieb fortan No-go-Area.
Nun, ich vermisse diesbezüglich auch nichts. Und schon gar keine Hundefilme. Eben sehe ich allerdings, dass es sogar einen Hundefilm mit Charlotte Gainsbourg gibt. Wenn Herrchen das mitkriegt, durchforstet er gleich alle verfügbaren Mediatheken. Dabei dauert der Film eine Stunde und vierzig Minuten, das schafft Herrchen doch gar nicht, Charlotte Gainsbourg hin, Charlotte Gainsbourg her. Lieber könnte er mir mal wieder fünf Minuten Fellpflege angedeihen lassen, dann hätte er immer noch eine Stunde und fünfunddreißig Minuten gespart.
Ich fasse zusammen: Ein Loser, der die Familie, in die er kommt, durcheinanderbringt, großes Drama und weichgezeichnetes Ende – dafür braucht Herrchen keinen Film, das hat er, seit ich bei ihm bin, zu Hause. Damit es richtig filmreif wird, klaue ich mir am besten noch einen Zucchinipuffer (eigene Ernte) von seinem Teller. Wo Herrchen sicher glaubt, die Dinger seien nichts für mich, wegen Zwiebel und so.
Ob Charlotte Gainsbourg Zucchinipuffer mögen würde, säße sie auf unserem Sofa? Und ob sie mir was abgäbe?
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