Betreff: Radfahren

Früher in meiner Tierheim-Zeit trug ich einen Maulkorb aus Metallstäben. Ich sah damit aus wie Hannibal Lecter, auch mein Ruf entsprach dem. Mir den Maulkorb anzulegen war personal- und materialintensiv. Es wurden Mengen von Leberwurstpaste benötigt, um die Metallstäbe damit zu bestreichen, bis ich bereit war, meine Schnauze in den Korb hineinzugeben. Heute lege ich mir einen schlichten Plastikmaulkorb selbst an bei Bedarf, selten natürlich, meistens bei meiner Hausärztin, wo er nach der Untersuchung gleich abgenommen wird, damit ich die auf mich niedergehenden Leckerli-Kaskaden effizient aufnehmen kann.

 

Was ich interessant finde: Der Maulkorb hat sich als normales Element der Verkehrsteilnahme nicht durchsetzen können, obwohl vor Jahren schon populistische Politiker dies gefordert hatten. Aber vielleicht konnte es gerade deshalb nicht klappen, weil Populismus dahinter stand. Der Fahrradhelm hingegen hat sich derart durchgesetzt, dass man die Helm-Industrie zu dieser PR nur beglückwünschen kann. Dabei nützen Fahrradhelme bei Hundebissen rein gar nichts.

In unserer mecklenburgischen Feriengegend bewegen sich die Touristen vor allem auf und im Wasser, aber auch das Fahrradfahren scheint immer beliebter zu werden, vermutlich weil es auf den Seen und Kanälen inzwischen einfach zu voll ist, um überhaupt noch Wasser zu sehen. Auch Herrchen und ich sind oft mit dem Fahrrad unterwegs. Wir lieben solche Touren, er auf dem Fahrrad, ich nebenher, beide sind wir ohne Helm unterwegs. Oft begegnen uns Rudel aller Art, Familien vor allem, bei denen selbst die Hunde im Körbchen Helme tragen. Jedenfalls kommt mir das so vor. 

Aber was nützen ihnen die Helme, wo sie doch kaum vorankommen und also gar nicht die Gelegenheit haben, derart zu stürzen, dass ein Helm als Schutz sinnvoll erscheinen würde. Sie bleiben im dicken Sand des Sanders (Eiszeit! Glaziale Serie!) oft einfach stecken. Und selbst wenn sie mal nicht steckenbleiben, müssen sie dennoch immerzu stoppen, um sich zu orientieren. Weder finden sie eine Beschilderung vor, noch zeigen ihre Handys Netz, um sich über Google führen zu lassen.

Was auch auffällt: Nie sehe ich in solchen Fahrradtourrudeln lächelnde, fröhliche Gesichter, sondern eher verkämpfte und müde. Herrchen bemüht sich dann um Aufmunterung der Rudel, indem er rechtzeitig vor unserer Begegnung ausruft: „Achtung, freilaufender menschenfressender Hund.“ Die meisten müssen darüber endlich einmal lächeln, erst recht wenn sie meiner Harmlosigkeit ansichtig werden, aber nicht alle. Bei Urlaub ist bekanntlich viel von Planung, Geld und Buchung die Rede, nie aber von Spaß. Egal.

Unsere Radtouren, die von Herrchen und mir, sind schon deshalb toll, weil sie traditionell mit einem schönen Leckerli für mich enden. Das gilt allerdings nur für den Fall, den Herrchen in der Sprache des Justizvollzugs „gute Führung“ nennt. Ich muss dann mitunter abwägen zwischen guter Führung und Lebensgenuss, leider Gottes einem Gegensatz wie Feuer und Wasser. Neulich war der Lebensgenuss überwältigend, mich in einem herrlich sämigen Kackhaufen zu wälzen. Als wir wieder zu Hause waren, trat Herrchen statt mit einer getrockneten Rinderkopfhaut oder einem felligen Kaninchenohr nur mit Bürste und Wassereimer an mich heran. Zum Glück war es der Tag, an dem abends noch gegrillt wurde. Da gehe ich ja nie leer aus, das wäre ja auch noch schöner.

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