Betreff: Unter Sauen
Sehr geehrter Nachbar, lieber Elvis, alter Schisser, da Du stets einen großen Bogen um mich machst, sehe ich mich gezwungen, mich auf dem Weg eines Briefes an Dich zu wenden. Du hast jüngst in Deinem albernen Blog behauptet, ich sei reinrassig. Dazu muss etwas gesagt werden, denn das stimmt so nicht.
Klar, jeder Hund hört das natürlich gern, das mit der Reinrassigkeit, insofern will ich Dir nicht Gram sein deswegen. Aber Du hast Dich da beiläufig einer journalistischen Methode bedient, die Du Dir vermutlich von Deinem Herrchen abgeschaut hast, der jahrzehntelang es in seinem Berufsleben so gemacht hat: Über einen etwas komplizierten Sachverhalt kurzerhand mit einem Halbsatz oder, wie in unserem Fall, einem Wort hinweggehen – wie ein Seiltänzer hoch oben hätte ich beinahe gesagt, aber besser trifft hier: wie ein Schlafwandler auf hohem Dachfirst.
Vernimm! Ich bin ein Heideterrier. Da spreche ich ein großes Wort gelassen aus, nicht wahr? Aber Heideterrier sind nicht reinrassig, sie wollen nicht einmal reinrassig sein. Sie sind eine sogenannte Hybridzucht aus Deutschem Jagdterrier und jagdlich tauglichen Airedale Terriern. Das geschah vor einem knappen halben Jahrhundert, wenn ich mich recht erinnere. Und wie der Name Heideterrier schon sagt, geschah es in Niedersachsen, und zwar deshalb, um für die Wildschweinjagd einen Terrier zu haben, der – ich zitiere – „genügend Mut und Härte besitzt, um auch eine angeschweißte Sau sicher zu binden und nicht nur auf Abstand zu verbellen“. Gesucht wurde ein robuster Terrier, „der über Jagdverstand und die nötige innere Ruhe verfügt, die doch vielen anderen Terriern häufig abgeht“.
So einer, mein Freund, bin ich also. Nun weißt Du, mit wem Du es zu tun hast. Auch wenn ich, zugegeben, sehr selten Gelegenheit bekomme, unter Sauen zu jagen, das wäre mir auch zu anstrengend und zu schmutzig. Angeschweißt – igitt. Mehr schon tue ich das unter den Pferden meines Herrchens, aber nur so zum Spaß, wenn auch oft zu meines Herrchens Ärger.
Du bist doch auch ein Jagdhund und machst als solcher viel Blödsinn. Aber Dir fehlt garantiert Jagdverstand und innere Ruhe. Neulich blutbesudelt wieder nach Hause gekommen, höre ich. Eine Katze war‘s? Eine Katze! Dabei hast Du in Deinem albernen Blog doch auch schon getönt, Eber zu erlegen, wenn es darauf ankommt.
Lass das mal sein, mein Lieber. Gekochte Hähnchenherzen im Napf tun es auch. Frei atmen macht das Leben nicht allein. Die Bequemlichkeit unserer Häuser gehört in diesem Sinne zum Leben unbedingt dazu, findet Deine Dich nachbarschaftlich herzlich grüßende Heideterrierin Ella
P.S.: Na, alter Knabe, hast Du die Zitate bemerkt? Goethe, „Iphigenie“, kann ich auch.
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