Betreff: Klittern

Wenn Herrchen wieder einmal hört, dass die DDR der bessere deutsche Staat gewesen sei, ein Friedensstaat, Russland seit jeher nichts anderes kenne als Liebe zum Frieden und amerikanische Raketen die Werkzeuge des Bösen und Amerika selbst das Böse seien, wenn er in den Internet-Netzwerken auf Sahra Wagenknecht stößt und bei uns zu Hause den Jungs Platz machen muss, die mit alten russischen Militärfahrzeugen umherfahren oder im Trabant mit DDR-Armee-Emblem, wohl denkend, was das damals für lustige Zeiten gewesen sein müssen, wenn er hört, dass mit dem DDR-Ende deren siebzehn Millionen Einwohner ins Elend gefallen seien, dann tut er etwas seltsames.

 

Er ruft mich zu sich, nimmt mich in den Arm, lässt mir Fellpflege angedeihen und erzählt von uns, von ihm und mir. Ich darf das mal aus dem Gedächtnis zitieren, er liebt es ja, zitiert zu werden:

„Böse Mächte haben den sensiblen und unschuldigen Elvis in das Tierheim gebracht. Als ich ihn von dort zu mir mitnahm, hatte ich keine Leine dabei, denn er lief von Anfang an bei Fuß. In das Auto sprang er, ohne dass wir dies hätten üben müssen. Zu Hause hat er sich sogleich eingelebt. Vor allem der Nachbar, der Hühner, Gänse und Schafe hält, war begeistert, wie gut Elvis mit seinen Tieren umging. Elvis wäre es in der Tat nie in den Sinn gekommen, etwa den Elektrozaun zu ignorieren und die Schafe anzugreifen. Überhaupt wäre es ihm nie in den Sinn gekommen, unser Grundstück ohne meine Aufforderung zu verlassen. Beim Gassigehen hat er Rehe, Damwild, Hasen, Füchse, Eichhörnchen nie beachtet, frei laufende Schafe ignoriert.

In die Hundegruppe hat er sich ebenfalls sofort eingefügt. Keine Sekunde lang gab es mit den anderen Hunden Schwierigkeiten. Jede Übung absolvierte er perfekt, wenn man sie ihm nur einmal gezeigt hatte. Geärgert hat er allenfalls unsere Knurr-Freundin, das Herz unserer Gruppe, die bei ihm pädagogisch nicht recht zum Zuge kam mit ihren rüden Methoden, weil er alles schon konnte. Dass er den Rückruf perfekt beherrschte, merkte ich erst viel später in unserem Zusammenleben, denn bis dahin wurde ein Rückruf nie gebraucht. Ähnlich verhielt es sich mit der Leinenführigkeit.

Es ist eine Legende, wenn behauptet wird, Elvis sei bei einem Training an einem Sonntag stundenlang ausgebüxt gewesen und habe nur zu jeder vollen Stunde kurz vorbeigeschaut, ob noch auf ihn auch gewartet werde. Wer das behauptet, hält womöglich die DDR für einen Unrechtsstaat und behauptet, in der DDR habe es keine Reisefreiheit, ja überhaupt keine Freiheit gegeben.“

Wenn Herrchen soweit in seiner Erzählung gekommen ist, kann er nicht weitersprechen, weil er aus mir unerklärlichen Gründen schallend lachen muss. Dann fügt er, Lachtränen in den Augen, noch hinzu: „Zweimal haben ihn Postbotinnen gebissen, den Armen.“

Immerhin lässt er mich bei seinem Lachanfall los und ich kann endlich wieder meiner Wege gehen, so wie neulich der fetten Katze nach, die unverschämterweise unser Grundstück besucht hatte und eben auf das Grundstück der Nachbarin sprang. Na, der musste ich zeigen, wo Barthel den Most holt, also hinterher. In der DDR hat es bestimmt nicht so was Schlimmes wie fette Katzen gegeben, überhaupt Katzen, oder? Da muss ich nachher mal Herrchen fragen, wenn ich wieder da bin.


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