Betreff: Anschiss
Wortwörtlich genommen ist ein Anschiss natürlich kein Anschiss. Beim Anschiss, wie ich ihn erlebe, geht es verbal zu, nicht rektal. Auch bei Drohungen wie „Du kriegst gleich den Arsch voll“ muss ich mir um meinen, übrigens wohlgeformten, Hintern keine Sorgen machen. Wenn es bei uns was auf den Allerwertesten gibt, dann einen Klapps, aufmunternd, wegweisend, freundlich.
Und körperliche Züchtigung, sehr selten, findet nicht unter Benutzung meines Hinterteils statt, sondern Herrchen greift ins Halsband und schüttelt mich. Oder sein Knie bohrt sich in meine Flanke. Oder sein Ellenbogen schubst mich. Aber solche Choleriken haben immer eine Vorgeschichte, das will ich hier mal zugeben.
Einen richtigen Anschiss gab es neulich erst wieder, als wir herrlich durch den Herbstwald auf Gassi waren und ich einem Eichhörnchen nachsetzte. Wenn ich jetzt die Worte von Herrchen hier zitiere, ist die Situation kaum notdürftig beschrieben: „Hiergeblieben“, „Hier wird nicht gejagt“, „Lässt du das wohl bleiben“. Denn der Ton macht die Musik, und der ist dann so gewalttätig, dass ich es doch besser sein lasse mit dem Eichhörnchen. Allerdings tue ich das nicht nur aus Disziplin, sondern auch aus kalter Berechnung. Ich weiß, dass ich das Eichhörnchen sowieso nicht kriege, aber den freundlichen Klapps von Herrchen, Fellpflege und im weiteren Verlauf des Tages ein getrocknetes Rinderohr kriege ich sehr wohl.
Nun mal ehrlich, eigentlich ist es doch ungerecht, wie rüde die Sprache den rektalen Körperausgang benutzt. Man hört ja auch oft „Du Arsch“, „Das geht mir am Arsch vorbei“, „Du kriegst einen Tritt in den Hintern“, „Du Arschgeige“, „Du Arschgesicht“, „Du Arschloch“, „Das ist im Arsch“. Aber was ist es denn bei Lichte besehen mit diesem Arsch? Ich sehe den meinen mit Wohlgefallen, wenn ich mich einkuschle. Mir persönlich ist es auch immer ein Wohltat, wenn ich mich über meinen Hinterausgang lösen kann. Selbst beim unangenehmen Dünnpfiff kann ich nicht meinem Loch rektal die Schuld geben, sondern der Mahlzeit vorn, dem Magen, dem Darm – und damit wieder Herrchen. Und wer es womöglich richtig findet, dass der Hintern so negativ gesehen wird, weil es da so stark riecht, dem kann ich nur empfehlen, mal kurz seine Nase in mein Maul zu halten.
Aber gut, ich werde es nicht ändern können, dass der Hintern in der Sprache so abfällig behandelt wird. Das wird so weitergehen, auch mit den Anschissen. Ehrlich gesagt, ich habe mit der Persönlichkeitsbildung bei Herrchen eine derart fordernde Lebensaufgabe, dass ich mich um diese ganze Sprach-Kacke nicht auch noch kümmern kann.
Oh, scheiße, während ich so räsoniere, bin ich doch glatt aus Versehen durch die halbgeöffnet Gartentür aufs Nachbargrundstück. Herrchen hat’s gesehen und baut sich schon auf der Terrasse auf, um mich wieder hereinzubitten, natürlich unfreundlich. Herrje, der Anschiss lauert aber echt überall.
Das ist übrigens auch ein Lieblingssatz von Herrchen. Immer noch, obwohl ich seinen fatalen Fatalismus nun schon seit fast vier Jahren bekämpfe, und das full time und nicht bloß zwanzig Stunden in der Woche. Vielleicht bräuchte er schlicht mal den Arsch voll.
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