Betreff: Herrchen

Herrchen kommt die Treppe herunter. Er kommt aus seiner Bibliothek. Gleich wird es also passieren. Ich weiß das alles immer schon vorher. Ausgerechnet bei ihm, der doch sonst so gern auf angebliche Überraschung setzt. Er handelt jedes Mal, wenn es wieder soweit ist, völlig vorhersehbar. Zum Gähnen.

 

Aber dort originell sein wollen, wo man sich fragt, weshalb gerade da. Sein einer Krimi als Briefroman, der zweite als ein Gerichtsbericht. Nichts mit Mord und Totschlag, Raub und Erpressung, Sex and Crime und was man sonst noch so in einem Krimi erwartet. Briefroman, Gerichtsbericht, und so ist ja auch Herrchens überschaubarer Erfolg (wie man heute sagt, überschaubar, weil es so schwer ist, Misserfolg zu sagen). Also ehrlich, wer will das lesen?

Jetzt ist er die Treppe schon halb herunter. Bestimmt hat er wieder irgendwelchen Quatsch geschrieben, der ihm selber langweilig ist, denn er seufzt müde. Na, das wird ihm gleich vergehen. Noch vier Stufen.

Manchmal strengt er seinen Grips auch für mich an, zugegeben. Neuerdings machen wir Suchspiele, bei denen das Fleischstück unter schweren Töpfen verborgen liegt, die ich weder zu zerbeißen noch beiseitezuräumen vermag. Erst regte ich mich auf, dass Herrchen mir die Rinderstückchen vorenthalten will, die ich so deutlich erschnuppere. Aber dann begriff ich: Wenn ich zurückspringe, ein schönes Platz mache und treu gucke, hebt er den Topf. Eine Neuerung also, aber seit vielen Monate die erste. Und dann habe ich es ja auch gleich verstanden, und es wird genauso öde wie Maulball, Pfötchengeben, Hütchenspiele, Zerrknoten und all der abendliche Quatsch.

Er hat die Treppe passiert und wendet sich jetzt in Richtung Küche. Er wird sich sein Abendbier holen, so wie jeden Abend, immer um die gleiche Zeit. Er könnte ja auch abbiegen zum Kamin, vor dem ich gerade bequem und abgefüllt liege. Wir könnten kuscheln, es regnet draußen, wir haben es drinnen gemütlich. Aber emotional ist er wie draußen das Wetter. Wenn sich Frauchen nicht ab und an zu mir legen würde, hätte ich gar nichts. Herrchen ist sein Abendbier wichtiger.

Jetzt muss er noch einmal um die Ecke, dann ist er in der Küche. Dass ich Küchenverbot habe, finde ich auch anklagenswert. Zwar habe ich einen Liegeplatz, von dem aus ich alle Vorgänge in der Küche beobachten kann. Aber es gibt Ärger, wenn ich mich in der Küche selbst umschaue. Vorhersehbaren Ärger, es ist immer das gleiche. Kenne ich alles bis zum Überdruss.

Jetzt sollte er mitten in der Küche stehen. Ich kuschle mich ein, am Kamin unterhalte ich selbstverständlich auch einen Liegeplatz – zuzüglich zu meinem eigentlichen Alkoven unter der Treppe.

Nun muss es aber passieren, oder? Es passiert. Sage ich doch.

„Elviiiiis!“

Nun ja, der Apfelkuchen schmeckt ziemlich gut. Das Rezept eines Frauchens aus unserer Hundegruppe. Wenn ich mich da bediene, bleibt es sozusagen in unserer großen Hunde-Familie. Was ist dagegen zu sagen? Und ich habe Herrchen ja auch noch was übriggelassen vom Blech.

„Elviiiiis!“

Jedes Mal kommt das doppelt. Es käme freilich so oder so doppelt und hat nichts damit zu tun, dass ich mir diesmal ein doppelt großes Stück gegönnt habe. Er hat so toll gebacken, nicht ich. Selber schuld.

Kommentare

  1. Hallo Elvis, also ich entnehme deinen Ausführungen, dass dein Herrchen einen Apfelkuchen gebacken hat....Respekt, welcher Mann in seinem Alter macht das !!!
    Aber Apfelkuchen für Hunde, ob groß oder klein ist nicht gesund.Aber dich trifft keine Schuld ,sondern dein Herrchen, er hätte besser aufpassen sollen!!!

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