Betreff: Korrigieren

Neulich erzählte Aiwas launiges Herrchen in der Hundegruppe, dass die Handyaufnahmen, die er vom Hundetraining gelegentlich macht, zu Hause eine besondere Wirkung entfalten, wenn er sie dort abspielt. Wenn Aiwa aus dem Handy die Stimme unserer Knurr-Freundin hört, kriecht sie aus Angst sogleich unter den heimischen Tisch. Verrückt, oder?

 

Unsere Knurr-Freundin ist, wenn ich das so sagen darf, unsere Lehrerin, und ihre Pädagogik besteht darin, gelegentlich gefüllte Plastikflaschen durch die Gegend fliegen zu lassen oder Schlüsselbunde. Oder sie baut sich in einer Art und Weise vor einem auf, dass man jeden Augenblick mit seiner Hinrichtung rechnet. Und diese Brutalität nennt sie dann auch noch euphemistisch Korrigieren. Zudem hat sie mitunter eine Stimme wie Oskar Matzerath aus der „Blechtrommel“, auch sie könnte in hohen Tonlagen Glas zerspringen lassen, da bin ich mir sicher. Erst recht also arme Hundeseelen.

Nach der Geschichte von Aiwas Herrchen tauchte bei uns, bei Herrchen und mir, die Frage auf, ob eine solche häusliche Wirkung auch bei mir eintreten würde. Denn leidvoll sind auch meine  Erfahrungen aus dem Training. Nun kann Herrchen nicht gleichzeitig mit mir arbeiten – so wird die Freizeitbeschäftigungstherapie in der Hundegruppe doch allen Ernstes genannt – und mit dem Handy Videoaufnahmen herstellen. Also können wir zu Hause die Probe aufs Exempel nicht machen, wir haben der Knurr-Freundin Stimme nicht. Aber ist das schlimm? Ist nicht vielmehr schon die Frage, ob es eine Wirkung haben könnte oder nicht, falsch gestellt?

Denn wann habe ich zuletzt die Korrekturen unserer Knurr-Freundin mit der glasklirrenden Stimme über mich ergehen lassen müssen? Es ist so lange her, dass die Erinnerung daran gerade aus dem Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis hinüberwechselt. Ich weiß noch, damals sprang ich kurzerhand in unser Auto, wenn es mir mit der schwarzen Pädagogik und den Wasserflaschen zu viel wurde. Wohin sollte ich auch sonst, um Ruhe zu haben? Zu Herrchen? Bei dem hätte ich weder Schutz noch Ruhe gefunden, denn er bewundert anstellig, was unsere Knurr-Freundin mit uns da alles so anstellt. By the way: Heute haue ich im Training zwar immer noch manchmal ab ins Auto, aber nicht mehr aus Nervenschwäche, sondern aus Langeweile.

Was so schön Korrigieren in der Hundegruppe heißt, ist natürlich nichts anderes als ein Machtkampf. Denn die Frage lautet doch immer, wer korrigiert wen oder anders gesagt wer besiegt wen? So gesehen hat neulich Friedrich Merz den CSU-Vorsitzenden Markus Söder korrigiert, als der am Ende nicht nur Merz als Kanzlerkandidaten der Union akzeptieren, sondern diese Entscheidung auch noch öffentlich verkünden musste. Ich dachte gleich, als ich das hörte: Wenn da mal nicht unsere Knurr-Freundin ihre Hände im Spiel hatte.

Auch bei uns im häuslichen Rudel darf ein Nachdenken erlaubt sein, wer hier eigentlich wen korrigiert. Neulich trafen wir eine Nachbarin aus der Straße, die Herrchen lobte, wie toll er mich hingekriegt habe. Dabei trifft genau das Gegenteil zu. Ich habe ihn hinbekommen, und es war harte Arbeit.

Apropos. Ich sehe eben, dass die Gießkanne auf der Terrasse wieder einmal nur halb gefüllt ist und ich mit der Zunge nicht mehr an das frische Brunnenwasser gelange. Schlamperei! Das muss ich gleich mal korrigieren. Bewährt hat sich für solche Fälle, Herrchen anzurennen und in die Hand zu kneifen. Nun, dann wollen wir mal.


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