Betreff: Rand und Band
Die Wörter Rand und Band in einem Zusammenhang gibt es vermutlich nur, um auch mal außer Rand und Band sein zu können. Zurück geht das Wortspiel auf die Fassbauer, die Küffer, aber das ist für uns hier ohne Belang, wir trinken nicht.
Außer Rand und
Band. Angela Merkel, die frühere Kanzlerin, hat gerade vom aktuellen Kanzler gesagt, er sei außer Rand und Band wegen Koalitionsbruch und so. Olaf Scholz außer Rand und Band, witzig, oder? Typisch Merkel. Pardon für die kleine Abschweifung, sie passte gerade hierher. Zurück zu mir, wenn ich außer Rand und Band bin.
Neulich war es wieder soweit, gleich morgens. Ich Rehe gesehen, Herrchen stehengelassen, los über Stock und Stein, genauer gesagt über Zäune und Wasserläufe. Rein in den Morast, dass es nur so spritzte. Gejauchzt, dass es weithin schallte. Zurück dann auf einem anderen Weg, den mir mein Glücksgefühl eingab. Herrchen total vergessen. Wir trafen uns an einer Weggabelung in unserer Straße wieder, er kam von rechts, ich von links. Göttlich. Ich sah aus! Dreckig, aber glücklich. Das musste einfach mal sein.
Herrchen muss das doch auch kennen, dieses Außer-Rand-und-Band. Oder? Nicht gerade Rehe und Morast, schon klar, aber wenigstens Frauen, Alkohol, Drogen oder so etwas? Aber: nichts, einfach nichts.
Vielmehr zeigte sich nach meiner Spritztour wieder einmal, dass unsere Blicke auf die Welt nicht gegensätzlicher sein könnten. Er schlussfolgerte aus meinem Außer-Rand-und-Band-Sein, dass auch nach drei Jahren Zusammenleben ich mich benehmen würde, als hätte es diese drei Jahre nicht gegeben. Herrchen warf mir vor, dass ich es nur spiele, wenn ich zu Hause artig sei, kultiviert, entspannt und zufrieden. Im Herzen sei ich doch ein Vagabund. Ja, ihm kam sogar die Frage ein, ob ich überhaupt bei ihm zu Hause sei.
Für mich steht das außer Frage. Einmal ohne Rand und Band ist für mich die Ausnahme, welche die Regeln im häuslichen Zusammenleben nur bestätigt. So wie Herrchen in seiner Leidenschaft für Nudelgerichte und Pizza immer wieder auch mal Pommes mit Schnitzel braucht, am liebsten aus Fressbuden, die nach altem Frittierfett schon weithin stinken. Also soll er sich mal nicht so haben. Ich sehe es so, dass ich ihm meine Zuneigung zeige, indem ich ab und an abschwirre. Denn ich komme ja wieder. Man reist, um wieder nach Hause kommen zu können, oder? Ich könnte ja auch ganz wegbleiben.
Es gab dennoch an
dem besagten Morgen einen gewaltigen Anschiss (siehe dort) und das Frühstück mit
zweistündiger Verspätung. Und es gab Herrchens Hinweis, dass man sich auch
anders in einen Zustand ohne Rand und Band versetzen könne. Rein geistig
nämlich, dann benehme man sich im normalen Leben immer noch weitgehend unauffällig, selbst
wenn es in einem hoch hergehe. Schau her, dachte ich, mein altes Herrchen.
Tja, so ist er. In seinem neuen Roman gibt es einen unerwarteten Cunnilingus im Park von Hohenzieritz. Da kann meine echte Schlammschlacht nicht mithalten, muss ich zugeben. Zumal meine Jagd wie immer vergeblich war, es in Herrchens Roman aber sehr wohl zum Höhepunkt kommt.
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