Betreff: Post ist da

Es lag in der Luft, nun ist es tatsächlich geschehen. Ich habe Post bekommen. Ich meine jetzt nicht den Steuerbescheid und nicht die Beschwerdebriefe der Post, wenn ich einer Postbotin unsittlich nahegekommen bin. Solche Briefe gehen natürlich an Herrchen, dort sind sie auch richtig.

 

Ich bekomme auch gelegentlich kleine Briefumschläge zugesteckt, also nicht von der Post transportierte. Sie stammen meistens von Frauchens Mutter. „Dem lieben Hundeenkel“ steht da drauf. Sie enthalten kleine finanzielle Zuwendungen, für die mich zu bedanken ich hier die Gelegenheit nutze. Ich will schwer hoffen, dass Herrchen die Zuwendungen tatsächlich zur Aufbesserung meiner prekären Versorgungslage verwendet und nicht für seine, die er auch für prekär hält, freilich im Gegensatz zu mir grundlos.

Ich meine wirklich einen Brief an mich, auf meinen Namen aufgegeben und angekommen. Dass die Post ihn zugestellt hat – Chapeau. Sie hätte Rache nehmen können für zwei gekniffene Postbotinnen, für Drohungen jeden Tag an der Tür oder aus dem Garten heraus, für die Schreie in der Straße, wenn eine Postbotin vor einem anderen Grundstück als dem meinigen zufällig auf mich trifft, ihr Ende erwartend, aber dann nur liebevoll von mir gegrüßt. Neulich ein Paketbote – wir hatten die Tür zwischen uns, ich wurde weggeschickt, um die Tür zu öffnen – sagte zu Herrchen, halb aus Angst, halb aus Staunen: „Der kann aber hoch springen.“

Tja, mein Lieber, könnte ich ihm antworten, ich kann nicht nur hoch springen, sondern auch weit. Neulich das Rudel Rehe am Waldrand, ich über die von Entwässerungsgräben durchzogene Wiese hinweg, jeder Graben ein eleganter Sprung, meterweit. Nur für den Rückweg hatten mich Mut und Adrenalin verlassen, und ich stand da, wie Herrchen früher im Sportunterricht.

Was buchstäblich zeigt, dass ich nicht abgehoben bin, bei aller Popularität. Alles, was Hunde so auszeichnet, lässt sich bei mir finden: Fresssucht, Jagdtrieb, kamingestütztes Schlaf- und Wärmebedürfnis, per Schnauze eingeforderte Fellpflege, Bekenntnis zum Rudel und zum eigenen Heim, verbunden mit einer Verteidigungsbereitschaft, von der sich Deutschland etwas abschauen könnte. Nicht zu vergessen die Treue. Und natürlich der Ordnungssinn: Fällt in der Küche etwas herunter, springe ich herbei, es aufzuheben. Ich mache Butterdosen und Joghurtbecher besenrein, und auch beim Geschirrspüler erledige ich durch Hineinkriechen die Grundreinigung. Nicht zuletzt: Ich entsorge meinen Biomüll im Feld und auf der Flur.

Im Brief an mich war übrigens seltsamerweise ein Geschenk für Herrchen drin, eine faltbare Beruhigungskugel aus Papier. Für den Fall, dass ich mal wieder mit meinem Schabernack seine Nerven strapaziere, hieß es im Brief. Aber viel mehr dürfte die Kugel zum Einsatz kommen, wenn ihm wieder einmal die modernen Nachhaltigkeitsapostel auf die Nerven gehen, die so tun, als würden sie sorgfältig wie ich handeln, aber selbst winters im T-Shirt in der Wohnung herumlaufen, bedenkenlos Auto fahren, Kreuzfahrten unternehmen und sich ohne Nachzudenken ins Flugzeug setzen, „womöglich auf dem Weg zu einem Nachhaltigkeits-Kongress“ (Herrchen). Über so was kann er sich aufregen, oh ja, da braucht er die Kugel. Nachhaltigkeit und Scheinheiligkeit haben in seinen Augen nicht nur die letzte Silbe gemeinsam. Mit mir indes hat er gar keine Probleme.

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