Betreff: Aus dem Tagebuch
Montag
Herrchen hat am Sonntag gehört, dass Gassigänge unterhaltend gestaltet werden sollten. Das will er nun gleich umsetzen. Er lässt mich seinen Handschuh suchen, den ich natürlich nicht zu finden beabsichtige, obwohl ich mit der Pfote draufstehe. Oder: Er rennt unvermittelt in eine andere Richtung, als gelte es das Leben, und holt sich Muskelkater. Ich verstehe natürlich nicht, weshalb er das tut, und bleibe erstmal abwartend und gähnend sitzen. Das soll unterhaltend sein? Da ist mir Dieter Nuhr lieber.
Dienstag
Noch wegen gestern: Ich will beim Gassigehen meine Ruhe haben, und Herrchen im Grunde seines Herzens doch auch. Und siehe da, heute geht es wieder nach dem alten Muster. Herrchen grübelt vor sich hin, ich schnüffle am Wegesrand, manchmal auch umgekehrt. Wieder zu Hause, legen wir uns erstmal hin, Herrchen übrigens immer noch über Muskelkater klagend.
Mittwoch
Luna ist der beliebteste weibliche Vorname für Hunde. Wir haben in der Hundegruppe neuerdings auch eine Luna, ein schmuckes schwarzes Mädchen. Dabei ist Luna doch die Mondgöttin, und der Mond hängt hell am – freilich schwarzen – Himmel. Mailo ist der beliebteste männliche Vorname, hat gerade Balou vom Spitzenplatz verdrängt. Mit meinem Namen ist kein Beliebtheitswettbewerb zu gewinnen. Und Herrchen in seiner Neigung zum Absurden wollte mich damals sogar in Wallenstein umtaufen!
Donnerstag
Ach, die Namen. In Laurence Sternes „Tristram Shandy“ sinniert der Vater des Helden seitenlang über die Frage, wie der Name das Schicksal bestimmt. Er sagt, viele Eltern würden bei der Namensgebung so sorglos verfahren, „als handle es sich darum, ihrem Hündchen den Namen Ponto oder Cupido zu geben“. Sorglos? Also Ponto hört man ja, aber ganz selten. Cupido nach dem Gott der Liebe haben wir noch nie gehört. Der Name ist doch auch absurd. Aber wegen des Absurden hatte und hat „Tristram Shandy“ solchen Erfolg, nicht zuletzt bei Herrchen. Absurdes Handeln kommt an, Artigsein langweilt. Ich werde daraus meine Schlussfolgerungen ziehen.
Freitag
Herrchen und ich stehen staunend am Fenster: Ein Habicht hat sich auf dem Vogelhäuschen niedergelassen. Einerseits traut sich nun kein anderer Vogel an die Futterquelle, andererseits ist der Habicht viel zu groß und wohl auch zu uninteressiert, in das Vogelhaus selbst zu kriechen. Ich fühle mich gleich verstanden. Ich würde es auch nicht wollen, dass meine Vorräte auf einmal vergesellschaftet würden wie bei einem Vogelhäuschen, da bin ich klar antikommunistisch. Ich würde – falls diesbezüglich nach der Bundestagswahl Gefahr drohte – in Habicht-Art meine Vorräte bis aufs Blut verteidigen, selbst dann, wenn auch ich nicht mehr an sie herankäme.
Samstag
Ach, schau an. Auf einmal wieder Fleischwurst. Jahrzehntelang hatte weibliche Kritik mit Hinweis auf die Gesundheitsrisiken Fleischwurst verhindert. Da muss ich Herrchen loben als einen Pro-Fleischwurst-Aktivisten. Als solcher hat er sich offenbar durchgesetzt. Nun, er weiß, wie es geht. Denn ebenfalls seit Jahrzehnten trotzt er weiblichen Angriffen auf seinen Zuckerkonsum. Er tut dies derart erfolgreich, dass Frauchen ihm sogar hin und wieder eine Tafel Schokolade mitbringt. Ich vermute, bei der Fleischwurst ist die Sache ähnlich gelaufen.
Sonntag
Beim Training geht mich mein an sich reizender Hundekollege Barnie an, weil er meint, ich würde mich beim kollektiven Gassigang zu weit von der Gruppe entfernen. Da haben wir ihn wieder, den Zwang der Kollektive. Herrchen lehnt das doch auch ab, warum tut er nichts? Warum überhaupt tut er nie etwas, außer seinen Zuckerkonsum zäh zu verteidigen? Lähmt Zucker?
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