Betreff: Mensch
Wenn in unserem Rudel über mich mal geflucht wird, dann höre ich oft: „Mensch, Elvis, pass doch auf“ oder „Lass das, Menschenskind“ oder „Mensch, kannst du nicht hören“ oder auch nur „Mensch“. Komisch, oder? Übertragen da Herrchen und Frauchen kurzerhand ihr Gefluche über Mitmenschen auf mich, ihren Hund? Um nicht banal sagen zu müssen: Hund, pass doch auf? Denn das klänge doof, wer Hund ist, muss nicht aufpassen. Dafür gibt es ja den Menschen in seiner Eigenschaft als Hundehalter.
Aber nein, sie sagen, denke ich, unachtsam Mensch. So wie sie oft genug unachtsam Gott sagen: Gott sei Dank, da sei Gott vor, um Gottes Willen. Aber so oberflächlich ist es letztlich dann auch wieder nicht, also nicht nur reines Dahingequatsche. Der Mensch ist schon sehr wichtig beim Hund, da steht dann der Mensch für den Hund und umgekehrt.
Das machte uns neulich der Förster deutlich, als er uns im Wald begegnete und gleich in meine Richtung sagte: „Na, der sieht ja ganz freundlich und zufrieden aus.“ Herrchen erzählte dann noch meine Geschichte mit Tierheim und so und was doch tolles aus mir geworden sei. Was den Förster zu dem Satz inspirierte: „Ja, das Problem bei Hunden liegt nicht beim Hund, sondern immer am anderen Ende der Leine.“ Er hat den Satz nun keineswegs erfunden. Der Satz kann vielmehr als das zentrale Thema der Hundeerziehung durchgehen: Nicht der Hund wird erzogen, sondern seine Herrchen und Frauchen.
Nichts anders machen wir übrigens auch in unser Hundegruppe. Ich liege entspannt im Auto, Herrchen nimmt derweil schlotternd die Hinweise unserer Knurr-Freundin entgegen. Übrigens immer wieder ein hübscher Anblick: Sie ist mindestens einen Kopf kleiner, aber in solchen Situationen viel größer als er. Bei ihm Körperverfall, bei ihr Körperspannung.
Nun hätte Herrchen dem Förster auch erzählen können, wie sehr ich ihn verändert habe. Das Problem war nur: Herrchen hing eben nicht am anderen Ende der Leine. Er hatte vielmehr die Leine um den Hals geschlungen wie Dandys ihren Schal. Und genau aus dem Grund hatte der Förster auch angehalten: Leinenpflicht, mein Lieber. Eigentlich wäre ein Bußgeld fällig gewesen. Zum Glück kennen sich Herrchen und der Förster. Wäre die Sache freilich eskaliert, hätte Herrchen bestimmt in meine Kasse gegriffen, immerhin der größten Barschaft, über die wir im Rudel verfügen – oder ja eigentlich ich verfüge, Herrchen ist nur Prokurator und dann auch noch selbsternannt.
So also ist der Mensch, um darauf zurückzukommen. Oder wie es Grönemeyer nuschelt: „Und der Mensch heißt Mensch, weil er vergisst. Weil er verdrängt.“ Wobei: Herrchen hatte die Leine keineswegs vergessen, er hatte vielmehr die Leinenpflicht verdrängt. Aber auch Grönemeyer nuschelt solchen Quatsch ja nur wegen des Reimes. In einem Interview erzählte er mal, angeblich würden Hunde zu winseln und zu bellen anfangen, wenn sie seine Lieder im Radio hörten. Ich kann das nicht überprüfen, wir haben kein Radio. Aber klar, ich kann mir vorstellen, wie sehr einen das Genuschel nervt, wenn man gerade ein Schläfchen machen will – genau wie das hohe eindringliche Pfeifen, wenn beim Telefon oder Rauchmelder die Batterie leer ist. Alles schon erlebt. Und damit verdient Grönemeyer auch noch so viel Geld. Er hat wohl keinen, aber a Hund isser scho, der Grönemeyer.
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