Betreff: Blicke

Das Leben bei Herrchen hat seinen Preis. Er versorgt mich und fordert dafür Zuwendung, am besten durch Blicke, was meint: Ich soll ihn freundlich und bewundernd anschauen, und das am besten immerzu. 

 

Eine solche Beziehung erinnert doch sehr an alter weißer Mann mit junger Freundin. Er zahlt, sie schmachtet oder tut wenigstens so. Uralter Topos. In der Literatur oder im Film vermutlich viel häufiger als im wirklichen Leben, oder? Schon bei Faust und Margarethe haben wir den Salat. Oder jetzt gerade – ein beliebig herausgekramtes Beispiel – bei Bodo Kirchhoff, wo zum alten Mann und zur jungen Frau sogar noch ein Hund kommt. Daher auch der allerdings hübsche Titel „Seit er sein Leben mit einem Tier teilt“.

Freilich hinkt der Vergleich mit alter Mann, junge Frau dann auch wieder, denn ich darf nicht in Herrchens Bett. Ich darf ja nicht mal aufs Sofa.

Jesses, wie bin ich da jetzt drauf gekommen? Richtig, die Blicke. Es ist ja nicht so, dass ich beim Gassigehen ab und an mal zu Herrchen hinschaue, ob er überhaupt noch da ist. Jetzt gab es aber eine Übung in der Hundegruppe: Jedes Mal, wenn ich Herrchen einfach so anschaue, sagte er meinen Namen. Was das wohl sollte? Also nur der Name, nichts weiter, keine Anweisung oder so. Was ging mir das auf die Nerven. Schließlich habe ich überhaupt nicht mehr nach Herrchen geschaut.

Besonders wichtig sind Herrchen auch gar nicht die freiwilligen Blicke, sondern die erzwungenen. Etwa wenn wir losmarschieren zum Gassigehen. Aber auch, wenn er mich zurückruft oder wenn er mich an- beziehungsweise ableint. Auch das nervt, so dass ich mir einen Pro-forma-Blick angewöhnt hatte, also Hinschauen ohne wirklich zu gucken. Herrchen hat es gemerkt, und nun haben wir oft lange Diskussionen, bevor wir es nur schaffen, unsere Haustür zu passieren. Wir stehen da, Herrchen erwartet meinen Blick, ich aber schaue zwar in der Weltgeschichte herum und nach dem Wetter, nur er ist für mich Luft.

Bei Frauchen gibt es da kein Problem, sie hat ja auch immer ein Leckerli dabei. Im Podcast „Hundestunde“, den wir mit gewisser Regelmäßigkeit hören, ging es neulich genau darum. Welch Unterschied es doch sei, ob der Hund freiwillig und erwartungslos Herrchen oder Frauchen anschaut oder ob er es nur in Erwartung einer Belohnung tut. Und es wurde die Frage aufgeworfen, ob dieser Unterschied auch am Blick des Hundes zu erkennen sei. Für mein Herrchen mit seiner Neigung, alles zu verkomplizieren, wirkte diese Debatte anregend wie ein Glas Champagner. Ich freilich lag, Blick nach innen, in voller Länge vor dem Kamin.

Ich weiß natürlich genau, welchen Blick Herrchen von mir gern hätte. Aber nicht bekommt, dafür bin ich viel zu ehrlich, denn ich bewundere nichts an ihm. Umgekehrt sieht man bei ihm manchmal diesen Blick, wenn er auf mich schaut. So wie neulich am Strand von Warnemünde. Da hatte sich eine Hundemeute zufällig zusammengefunden, und wir sind durch den Sand gerast, immer um den DLRG-Wachturm herum, ein Riesenspaß. Eines der Herrchen meinte in meine Richtung: „Der hat aber Power.“ Da genau erschien auf Herrchens missmutigem Gesicht jener erwähnte Blick, voller Freude, voller Stolz, voller Liebe.

Umgekehrt zeigt gerade dieses Beispiel, weshalb mir ein solchen Blick abgeht. Denn Herrchen wäre doch schon nach der ersten Sand-Runde um den DLRG-Turm herum fertig gewesen.

Kommentare

  1. Ach, immer wieder schön, dieser humorige Einstieg ins Wochenende😁
    Lieber Elvis, kannst du vielleicht eure 'langen Diskussionen' mal aufnehmen? Das würde ich doch zu gerne mal hören😉

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  2. Die Frauen sind eben die besseren Diplomaten, ich halte vom gendern nichts...!!!!

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