Betreff: Ithaka

Was wäre die griechische Insel Ithaka, wäre sie nicht die Heimat von Odysseus, dem klugen Helden aus der Epen Homers? Ein Kacknest wäre sie. Heute soll es dort auch ziemlich dreckig aussehen und viele Straßenhunde umherlaufen. Aber der Name Ithaka hat für viele noch immer einen Klang, selbst wenn heutzutage nicht einmal mehr der Name Odysseus als bekannt vorausgesetzt werden darf. Ithaka steht, kurz gesagt, für Heimat.

Haus Ithaka gibt es in Deutschland als Bezeichnung für Villen, die berühmteste findet sich in Weimar. Auch dort, wo ich lebe – und jetzt komme ich wie ein richtiger Feuilletonist erst im zweiten Absatz zum Thema – gibt es ein Haus Ithaka, längst nicht so prachtvoll wie das in Weimar und sogar vor Jahren mal als Bordell in Betracht gezogen (wobei die Idee so abweging auch nicht ist, Odysseus hat sich schließlich tüchtig durch die ganze Odyssee gevögelt). 

In der Nähe von unserem Haus Ithaka jedenfalls erstreckt sich ein nicht eben schönes Gebiet aus Wald und Heide, gern genutzt von Hundebesitzern und ihren Hunden. Freilich nicht allein wegen unserer Hinterlassenschaften ist das Gebiet so versifft, sondern überhaupt müllhaldenmäßig, so dass es zur griechischen Insel Ithaka dann doch wieder passt.

Dort jedenfalls hatte ich einst meinen größten Auftritt, seit ich bei Herrchen lebe. Aber was heißt Auftritt? Mein Auftritt bestand sozusagen aus Abwesenheit. Ich gestaltete nämlich eine mehrstündige grandiose Jagd, während der es mir unter anderem gelang, mein damaliges Sicherheitsgeschirr, dreifach befestigt, samt Leine abzustreifen – ähnlich der Sängerin Miley Cyrus, als sie einst auf der Bühne ihr Oberteil verlor.

Bis heute wird mit Bewunderung davon gesprochen, wie ich alle Stunde erschien, um mich meines Publikums zu versichern, und wieder verschwand, und endlich nur deshalb zum Finale kam, weil es mich dürstete. So wurde aus unserem Haus Ithaka einer der legendären Fälle, wo allein durch künstlerische Darbietungen ein Ortsname berühmt wird, so wie bei Woodstock oder Wacken, Ulrichshusen oder Bregenz. 

Neulich musste ich allerdings erfahren, dass es nicht unbedingt sinnvoll ist, einen Mythos wiederzubeleben, nur weil man sich mal wieder ins Gespräch bringen will, auch wenn Wacken das jedes Jahr schafft. Wieder ging ich am Haus Ithaka auf Jagd, aber da ich älter geworden bin, nicht mehr ganz so lange. Und mein Publikum wirkte auch eher gelangweilt, obwohl ich mich für mein Wiedererscheinen sogar von Mick Jagger hatte inspirieren lassen, dessen Limousine einst vorfuhr und er, während die Sicherheitsleute sich darum bemühten, die klemmende Autotür am Bürgersteig aufzukriegen, in aller Seelenruhe auf der anderen Seite ausstieg. Was in meinem Fall meint: Alle suchten mich dort, wo ich losgesprungen war, ich aber kehrte zurück aus der entgegengesetzten Richtung.

Herrchen, dem ohnehin keinerlei Verständnis für künstlerische Leistungen eignet – er findet selbst die angesagte Florentina Holzinger, die nichts abstreifen muss, weil sie ohnehin nackt ist, überaus überschätzt – kritisierte meinen Auftritt. Dabei war das, was ich da bot, doch noch gar nichts. Ich sage nur Ithaka. Odysseus blieb zwanzig Jahre lang weg – zehn Jahre Trojanischer Krieg plus zehn Jahre Rückreise (wobei er die meiste Zeit eher ferienmäßig bei einer Nymphe zugebracht hat) –, und weder seine zigmal betrogene Ehefrau Penelope noch sein mit dem Alter kämpfender Hund Argos haben sich beim Warten aus der Ruhe bringen lassen. Das sollte der Maßstab sein, auch was mich anbelangt. Ja, mein Lieber, man muss warten können.

 

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