Betreff: 10 Kilometer

Herrchen und ich sind zusammen jeden Tag ungefähr 10 Kilometer unterwegs, zu Fuß oder er auch zu Fahrrad. Wir haben uns die 10 Kilometer nicht als Ziel gesetzt, es hat sich im Laufe der Zeit und durch unsere Gewohnheiten so ergeben. Und 10 Kilometer pro Tag sind ja auch ein schöner Wert.

 

Schon wegen der Zahl, bei der eine schlanke Gerade neben einer erbauliche Rundlichkeit steht. Gleichsam Zepter und Erdkugel oder auch männlich und weiblich oder Himmelstürmerei und Erdung. Oder in Buchstaben ausgedrückt ließe sich auch sagen, dass die 1 für das I steht, die 0 für ein O – als Abkürzung für „in Ordnung“ also.

Wie gemütlich ist die 10, wenn man dagegen die halbherzige, dabei schmerbauchartige 3 betrachtet, die aufgedunsen dickliche 6, die bulimisch zickige 7. 3, 6 und 7 sind alles Zahlen, die mit magischer Bedeutung aufgeladen sind, man wittert Gefahr. Dagegen verkörpert die 10 Geschlossenheit und Ruhe, Maß und Mitte, auch, zugegeben, Durchschnitt und Langeweile. Selbst wenn sie den Ruhm hat, die erste zweistellige Zahl überhaupt zu sein, erhöht das ihre Bedeutung nirgendwo. Mit der 10 also lässt sich unaufgeregt und fern der Händel der Welt dahinleben.

Für uns sind die 10 Kilometer ja auch nur ein Durchschnittswert, manchmal machen wir mehr, manchmal weniger. Neulich hatten wir 11,11 Kilometer. Dass wir es überhaupt so genau wissen, verdanken wir der Elektronik, einem kleinen Sender an meinem Halsband. Dieser Sender ist allerdings in erster Linie dafür da, dass Herrchen mich per Smartphone im Getriebe der Welt wiederfindet, wenn sich unsere Wege einmal getrennt haben. Wenn sich unsere Wege trennen und ich, wie man heute so sagt, mein eigenes Ding mache, bringe ich es durchaus auf bis zu 16 Kilometer am Tag.

Das passiert immer dann, wenn die Umwelteindrücke auf mich heftiger wirken als die – ohnehin fragwürdige – Autorität von Herrchen. Oder schlicht gesagt: Wenn ich ausbüxe wegen Wild. Da – und nur da – mache ich Kilometer und Geschwindigkeit. Herrchen kritisiert das regelmäßig, sollte mir aber dankbar sein, schon wegen einer einfachen Rechnung. Er ist es doch, der auf 10 Kilometer Durchschnitt besteht, die er selbst für sich gar nicht richtig garantieren kann, bei seinem Alter und dem Zustand seiner Füße. 

Das ist wie beim freiheitlichen, säkularisierten Staat, der von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann, um hier mal den berühmten Satz von Böckenförde zu zitieren. Oder generell auf mein Zusammenleben mit Herrchen bezogen: Es funktioniert, solange ich will, ich könnte es jederzeit abbrechen, auch nach vier Jahren Tag und Nacht gemeinsam. Herrchen ist so gesehen der freiheitliche, säkularisierte Staat, der allein von der Voraussetzung meines guten Willens funktioniert, den er selbst, Herrchen, nicht garantieren kann, allenfalls nahrungstechnisch zu beeinflussen versteht.

War das jetzt zu rechtstheoretisch? Erörtern wir ein andermal. Seht Ihr den Hasen? Ich muss los, Kilometer machen.

 

Kommentare

  1. Tja....wenn Mirow nicht soweit weg wäre, würde ich mir das Schloss Mirow unter Führung deines Herrchens gern anschauen....😊😉

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