Betreff: Sechser
Neulich war eine Freundin bei uns, die es mit dem Sechser im Lotto hat. Nicht dass sie einen Sechser im Lotto getippt hätte, jedenfalls nicht dass ich wüsste. Ich vermute sogar, sie spielt nicht einmal Lotto. Aber es ist ja oft so: Wer vom Sechser im Lotto spricht, meint selten bis nie einen tatsächlichen, sondern nimmt es als Redewendung (so ähnlich wie beim flotten Dreier, haha).
Der Sechser im Lotto steht vielleicht nicht für Glück, aber doch für glückliche Umstände. Man sagt auch: das große Los gezogen – ebenfalls ein Ausdruck aus der an sich fragwürdigen Welt der Glücksspiele. Dies nur nebenbei.
Unsere Freundin glaubt jedenfalls, zu einem Sechser im Lotto gekommen zu sein, als sie vor Jahren in einem mecklenburgischen Dorf ein sanierungsbedürftiges altes Pfarrhaus erwerben konnte, riesig, malerisch, gesegnet durch die Nachbarschaft zur Dorfkirche. Ich bin da schon gelegentlich durch alle Räume gejagt, immer im Kreis herum, weil die Räume so angelegt sind, herrlich. Eigentlich steht ein Sechser im Lotto ja für viel Geld, aber das Pfarrhaus dürfte ziemlich das Gegenteil davon sein: ein Geldversenken. Aber es macht unsere Freundin glücklich, glücklicher vielleicht als ein prall gefülltes Konto. Eine wunderbare Geschichte, nicht wahr? Fast so wunderbar wie meine eigene.
Herrchen und sie kennen sich durch das Schloss, durch das er gelegentlich Gäste führt. Und dort hat sie ihn einst damit beeindruckt, dass sie es „einen Sechser im Lotto für das Herzogtum Strelitz“ nannte, weil eine der hässlichen Prinzessinnen aus dem Haus Strelitz Königin von England wurde, Charlotte, Ehefrau von Georg III. Das freilich liegt lange zurück, 1761, als man zwar schon Lotterien, aber noch keinen Sechser im Lotto kannte. Auch dies nur nebenbei.
Warum ich das erzähle? Weil unsere Freundin bei ihrem Besuch zu mir sagte, auch ich hätte einen Sechser im Lotto getroffen, nämlich durch meinen Einzug bei Herrchen und Frauchen. Sie sagte es in einer etwas verfänglichen Situation, da sie mich herzte, ja küsste und schon so gut wie bei mir lag auf meinem Bettchen. Ihr edles Parfüm beraubte mich aller Denkfähigkeit. Ich sah nur noch, wie Herrchen bei der Bemerkung vom Sechser im Lotto sich innerlich stolz und zufrieden straffte.
Am nächsten Morgen verließ die Freundin uns wieder, da erst, ich muss es zugeben, kehrte ich ins Leben zurück. Sechser im Lotto? Also wenn hier einer einen Sechser im Lotto durch meinen Einzug hatte, dann ja wohl Herrchen. Ich hingegen sehe viele Defizite. Und übrigens sie selbst, unsere Freundin, hätte ihren Teil dazu beitragen können, diese zu beheben, gern auch unterhalb des Niveaus Sechser im Lotto, etwa klassischerweise mit einem Würstchen, das meine Ernährungslage aufbessern könnte. Worauf ich hinauswill: Herrchen bekam von ihr ein Geschenk, ich hingegen – ja, wie soll ich das jetzt höflich sagen? – nun, wurde allein mit ihrer Anwesenheit beschenkt.
Puh, die Kurve hätte ich nochmal gekriegt, auch so eine Lotterie, den richtigen Ausdruck zu finden. Aber ich denke, ich bin verstanden worden. Ich freue mich schon auf den nächsten Besuch der Freundin und eine Wiedergutmachung, die durchaus dem Wert ihrer edlen Toilette entsprechen darf, völlig unabhängig von jedem Sechser.
👌
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