Betreff: High Noon

Es war wie in einem guten Western, wie in „Zwölf Uhr mittags“. Wir saßen im Saloon, nahe dem Eingang. Dass irgendwo weiter hinten ein Kläffer unterm Tisch lag, bekamen wir erst gar nicht mit. Dann aber hörten wir ihn hin und wieder, bis sein Frauchen und er aufbrachen und nun in unsere Richtung, Richtung Ausgang, kamen. Der Kläffer kläffte und kläffte, und noch mehr, als er mich sah. Es ging mir auf die Nerven. Ich erhob mich und sagt ihm die Meinung, laut, klar und deutlich, wie das so meine Art ist. Ich hätte sie ihm auch gegeigt, eine richtige Schlägerei im Saloon, ich hatte Lust darauf. Aber Herrchen hielt mich zurück.

 

Wie in einem richtigen Western, wirklich: Totenstille im Saloon, nur der Kläffer und ich. High noon, zwölf Uhr mittags, wenn die Sonne keine Schatten wirft und der Marshal und die Bösen ihre Colts ziehen. Dann war er endlich fort, der Kläffer, ich legte mich wieder hin. Sein Frauchen aber kehrte noch einmal zurück und beschwerte sich vorn am Tresen – über mich! Oder eigentlich natürlich über Herrchen.

Herrchen regte das so auf, dass es, hätte sie sich bei ihm direkt beschwert, garantiert zu einer Schießerei gekommen wäre. Herrchen jedenfalls hatte schon entsichert: „Die Frauchen von Kläffern sind selber welche.“

Alles beruhigte sich. Aber wenig später kam ein weiterer Hund herein und wurde von der Wirtin über einen Schleichweg geführt, nur um mir nicht begegnen zu müssen. Als auch der schließlich später den Saloon wieder verließ, ein friedlicher und freundlicher Zeitgenosse, fragte sein Frauchen vorsichtig, ob sie an mir vorbeigehen dürften. Was für eine Frage, natürlich, selbstverständlich, gern. Wir Hunde nickten uns kurz zu, das war es. Wir haben Stil.

Aber diese Kläffer! In unserer Nachbarschaft gibt es auch so einen Fall. Gehe ich an dessen Grundstück vorüber, wird gekläfft, was das Zeug hält. Und des Kläffers Frauchen schaut mich böse an, weil meine Gegenwart ihren Hund erregt, obwohl ich persönlich mich einen Teufel um ihn schere. Na ja, nicht ganz. Ich mache vielmehr manchmal jene verächtliche Geste wie Gery Copper in „Zwölf Uhr mittags“, als er zum Schluss, nach der Schießerei mit den Bösen, vor den feigen Einwohnern von Hadleyville seinen Marshalstern in den Staub wirft. Für große Szenen habe ich einfach etwas übrig.

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